Manuskriptgutachten

„überleben.“ (2011)

Arbeitstitel: „überleben.“

Inhalt
Die Autorin, 23 Jahre, verarbeitet in ihrem literarischen, überaus gesellschaftskritischen Erstlingswerk „überleben.“ ihre eigene Leidensgeschichte sowie ihren Kampf gegen Behörden, Institutionen, die ignorante Gesellschaft etc. Im Alter von sechs bis 14 Jahren selbst sexuell missbraucht und vergewaltigt, möchte sie mit ihrem Werk allerdings kein Mitleid für ihr Schicksal erregen (von dem sie bereits viel, jedoch „zumeist an der falschen Stelle“ erfahren habe, wie sie im Vorwort bekennt). Vielmehr geht es ihr darum, auf Missstände in unserer Gesellschaft wie beispielsweise Ignoranz und Unwissenheit aufmerksam zu machen – galt es doch über die Jahre hinweg, eine Menge an Demütigung zu ertragen und überleben.
Die eingereichte Leseprobe umfasst die ersten drei Kapitel, aufgeteilt auf 17 Ms-Seiten. Der Umfang dieser Kapitel schwankt dabei zwischen vier und fünf, die der eigentlichen Geschichte zwischen zwei und fünf Ms-Seiten. Geschrieben wurde in Schriftart Times New Roman, Schriftgröße Punkt 12, mit einem Zeilenabstand von 1,5 Zeilen.

Umsetzung
„überleben.“ stellt keine Autobiografie dar, sondern vielmehr eine autobiografisch erzählte Geschichte. Da Musik für die Autorin zumeist die einzige verlässliche Komponente in ihrem Leben war, hat sie jedem Kapitel ein passendes Liedzitat inkl. Nachweis vorangestellt: vor dem Vorwort „Angel“ (Sarah McLachlan), vor dem ersten Kapitel „An Angel“ (The Kelly Family), vor dem zweiten Kapitel „Jeanny“ (Falco) und vor dem dritten Kapitel „Somewhere Over The Rainbow“ (Israel Kamakawiwo’ole).
Erzählt wird aus der Sicht der Autorin, also in der Ich-Form. Wir haben es hier mit einer natürlichen Erzählsituation zu tun: Da es die Ich-Erzählweise am besten ermöglicht, Emotionen wiederzugeben (keine Distanz zum Erzählten – in dem hier vorliegenden Werk auch unmöglich, da es auf dem von der Autorin Erlebten beruht), bekommt der Leser so den bestmöglichen Eindruck von den Gefühlen, die die Erzählerin bei den ihr angetanen Demütigungen einst empfunden haben muss (Kapitel 3 beispielsweise vermittelt ihre Selbstzweifel und den Wunsch zu sterben, den sie im Alter von 13 (!) hegte). Auf allzu detaillierte Informationen der Geschehnisse wird verzichtet, man bekommt jedoch trotz allem ein umfassendes Bild, wie sich das Opfer gefühlt haben muss, was es durchge- und überstanden hat.
Wie bereits erwähnt, so bezweckt die Autorin mit ihrem Werk keineswegs, Mitleid für ihr Schicksal zu erregen – allerdings fällt es schwer, bei einer solch prekären Thematik kein Mitleid zu empfinden. Die Autorin klagt in ihrem Buch an, dass sie damals von allen Seiten (Familie, Freunde, Lehrer, Behörden etc.) nicht wahrgenommen wurde, niemand ihr Leiden erkannte (erkennen wollte). Ihr Schicksal interessierte niemanden, sie machte alles mit sich selbst aus. Antrieb, dieses Buch zu schreiben, dürfte also der Versuch gewesen sein, sich auf diesem Wege nun doch noch Gehör zu verschaffen.

Marktchancen
Zwar ist das Thema zugegebenermaßen keineswegs erfreulich, doch bedingt durch den angenehmen Schreibstil – und wahrscheinlich auch gerade aufgrund des Themas – liest sich das Buch sehr zügig. Auch trifft die Thematik den Nerv der Zeit: Immer wieder ist in den Medien von Entführungen, sexuellem Missbrauch, Vergewaltigungen etc. zu hören – bekannteste Beispiele der jüngsten Zeit sind der Fall Natascha Kampusch (2006), der ein gewaltiges Medienecho mit sich brachte, und das bis heute nicht aufgeklärte Verschwinden der kleinen Madeleine McCann (2007). An solche Fälle wird man beim Lesen dieses Werkes wohl denken, zumindest erging es mir so. Auch wenn es sicherlich genügend Leser geben wird, die aus Sensationslust zu diesem Buch greifen, so verdient es das Thema, Gehör und einen Weg in die Öffentlichkeit zu finden. Wenn auch vielleicht nicht zu 100 Prozent zum Verlagsprogramm passend, so rechne ich doch mit einer nicht geringen interessierten Leserschaft und empfehle daher die Annahme.